Weil Applaus alleine zu wenig ist …

Menschen in Pflegeberufen stehen seit Anfang 2020 im besonderen Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Die sogenannte „Corona-Krise“ hat uns allen die Wichtigkeit eines funktionierenden Gesundheitssystems vor Augen geführt; gleichzeitig gelangten auch die Personalprobleme im Pflegesektor und die Defizite, die in der Pflege herrschen, ins Bewusstsein der Bevölkerung. Der Mangel an qualifizierten Pflegekräften ist jedoch nicht neu. Bereits 2004 wurde in Österreich ein zusätzlicher Bedarf an Pflegepersonal festgestellt. Pflegekräfte aus Billiglohnländern sollten zur Entlastung beitragen. Zudem forderte die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst attraktivere Arbeitsbedingungen, familienfreundlichere Arbeitszeiten und mehr Ausbildungsplätze. Eine Werbekampagne in Kooperation mit dem Bundeministerium für Wirtschaft und Arbeit sollte Wiedereinsteigern die die Gesundheits- und Krankenpflegeberufe schmackhaft machen.[1] Die Ursachen für den Pflegekräftemangel von damals und heute unterscheiden sich kaum. Mit Auftreten des SARS-CoV-2-Virus Anfang 2020 haben sich die Belastungsfaktoren für Pflegekräfte noch einmal intensiviert.

Pflegepersonen, die sich der professionellen Pflege älterer Menschen verpflichtet haben, sind besonders hohen Belastungsfaktoren ausgesetzt. Neben körperlichen und psychischen Belastungen wie Heben und Tragen, dem ständigen Wechsel zwischen Pflegebedürftigen mit und ohne kognitive Einschränkungen, Schicht-, sowie Sonn- und Feiertagsdiensten hat der demographische Wandel zu einer erheblichen Veränderung der Bewohnerstruktur in den Pflegeeinrichtungen geführt. Das Pflegepersonal sieht sich zunehmend mit multimorbiden und demenziell beeinträchtigten Bewohnern konfrontiert. Nachteilig kommt hinzu, dass sich die Maßnahmen zur Begrenzung der Pflegekosten negativ auf die Personalausstattung auswirken und dadurch zu einer Arbeitsverdichtung beitragen. Die Maßnahmen haben erheblich dazu beigetragen, das Risiko psychischer Belastungen zusätzlich ansteigen zu lassen. Die negativen Beanspruchungsfolgen sind u. a. ein Anstieg von psychosomatischen Erkrankungen und Burn-out-Symptomen. Die genannten Faktoren verdeutlichen einen dringenden und zwingenden Präventionsbedarf, um den beruflichen Anforderungen langfristig resilient gegenübertreten zu können.[2]

In Österreich fand im September 2022 die Soziallandesreferentenkonferenz statt, an der der amtierende Bundesminister für Gesundheit sowie Soziallandesrätinnen und -räte aus den Bundesländern teilnahmen. Anlässlich dieser Konferenz wurden Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern präsentiert, die u. a. eine Bonuszahlung an die Beschäftigten in den Pflege- und Betreuungsberufen für die Jahre 2022 und 2023 vorsieht.[3] Zweifelsohne zeigt diese Maßnahme die hohe Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit der Pflegekräfte. Aber wie sehr können Bonuszahlungen der ansteigenden Fluktuation bei Pflegekräften aufgrund der zunehmenden Belastungsfaktoren entgegenwirken?[4] Bräuchte es neben der finanziellen Anerkennung nicht auch geeignete Methoden, um zu lernen, mit der ansteigenden Stressbelastung besser und gesünder umzugehen?

Wie Menschen in Pflegeberufen besser mit der zunehmenden Stressbelastung in ihrem Berufsfeld umgehen können und dazu ihre Gesundheit stärken, damit habe ich mich im Rahmen meines Master-Studiums an der Universität für Weiterbildung Krems beschäftigt. Das Thema entsprang der Überlegung, einen Beitrag zu leisten, die ansteigende Fluktuation beim Pflegepersonal seit Auftreten der „Corona-Pandemie“ in der untersuchten Langzeitpflegeeinrichtung einzudämmen und hintanzuhalten und gleichzeitig den Pflegepersonen einen gesünderen Umgang mit Stress zu vermitteln.

Die Ergebnisse sprechen für sich. Trotz der erschwerten Untersuchungsbedingungen durch „Corona“ und die verschärften Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal berichteten 60 % der Studienteilnehmerinnen über eine Verbesserung von körperlichen Beschwerden und psychischen Stressphänomenen während des Beobachtungszeitraumes. Sie berichteten über einen Rückgang von Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Muskelverspannungen, stressbedingtem Haarausfall, aber auch dem Rückgang von Ein- und Durchschlafstörungen sowie Gedankenkreisen. Demgegenüber berichteten die Probandinnen über eine verbesserte Stimmungslage, einem höheren Wohlbefinden sowie über Gefühle von Leichtigkeit und Zufriedenheit.

Um die Forschungsfrage aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten wurden drei Untersuchungsmethoden gewählt:

  • Biofeedbackgestützte Messung der Herzratenvariabilität (HRV)
  • Evaluierung der aktuellen Stressbelastung mittels Stressverarbeitungsfragebogen SVF 78
  • Qualitative Erhebung mittels halbstandardisierter Interviews

Die Ergebnisse aller drei Interventionen zeigten, dass das Praktizieren der Herzintelligenz-Methode (original: „HeartMath“) zu einer verbesserten Stressverarbeitung und einem erhöhten psychischen und physischem Wohlbefinden beigetragen haben. Die Messbarkeit des Trainingseffektes und die nachvollziehbaren Bedeutungszusammenhänge zwischen körperlicher, psychischer und mentaler Befindlichkeit durch das HRV-Biofeedback waren ausschlaggebend für die Teilnehmerinnen, die Übungen weiter selbständig zu praktizieren.

Interessant wäre es sicher zu untersuchen, inwieweit die gewonnenen Erkenntnisse auf andere stressgefährdete Berufsgruppen, wie etwa Ärzte oder Notfallsanitäter übertragbar sind. Für Gesundheitsdienstleister wäre es sicherlich bedeutsam, die Auswirkungen durch das Praktizieren der Herzintelligenz-Methode auf Krankenstandstage bzw. krankheitsbedingten Ausfälle bei Mitarbeitern in der Pflege zu messen und zu bewerten und daraus resultierende Kosten zu berechnen. Schulungsmaßnahmen und Trainingsangebote könnten seitens des Dienstgebers etwa im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung angeboten werden.

 

Die ganze Studie lesen Sie hier.

 

[1] APA, https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20040625_OTS0075/7000-diplomkrankenschwestern-aus-billiglohnlaendern-nach-oesterreich-holen, 18.4.2022

[2] Haberstroh, J. & Pantel, J. (2011). Demenz psychosozial behandeln. Heidelberg: AKA Verlag

[3] Hilfswerk Österreich, https://www.hilfswerk.at/oesterreich/artikel-detail/news/hilfswerk-begruesst-einigung-zum-pflege-bonus#:~:text=In%20dessen%20Zentrum%20steht%20der,in%20gleicher%20H%C3%B6he%20ausbezahlt%20werden, 1.11.2022

[4] https://www.karriere.at/c/a/pflegebranche-oesterreich, 1.11.2022